2014 – Deutschland gewinnt!
Im September 2014 titelte das Vinum Magazin: „Deutschland gewinnt“. Zwar fand 2014 die Fußball Weltmeisterschaft statt, aber warum schrieb ein derart renommiertes Weinmagazin plötzlich über Fußball? Hatte Vinum etwa das journalistische Metier gewechselt?
Auf den ersten Blick könnten Fußballer und Winzer kaum unterschiedlicher erscheinen, aber wenn man genauer hinschaut, entdeckt man einige verblüffende Parallelen zwischen den beiden Berufen. Fußballer und Winzer sind Künstler auf ihrem Gebiet. Der Fußballer nutzt den Rasen als Leinwand für Geschicklichkeit und Ausdauer, während der Winzer die Weinberge als Atelier verwendet, um einzigartige Weine – und in unserem Fall Sektgrundweine – zu kreieren. Beide sind den Launen der Natur ausgeliefert und von Leidenschaft und Hingabe geprägt.
Als wir während der Traubenlese dann das Magazin durchstöberten, trauten wir unseren Augen kaum. Nein, es ging nicht um Fußball! Das VINUM-Profipanel hatte 25 Brut-Nature-Schaumweine verkostet, einschließlich elf erstklassiger Champagner. Doch der Gewinner hieß: „Volker Raumland aus Rheinhessen!“ Eine echte Überraschung für uns! Die ganze Nation schien auf „Wolke 7“ zu schweben. Und die Familie Raumland nun auch! Obwohl wir normalerweise nicht allzu viel Wert auf Auszeichnungen legen, erfüllte uns dieser Erfolg mit enormem Stolz.
Es machte uns stolz zu zeigen, dass die besten Schaumweine nicht zwangsläufig von Kreideböden stammen müssen, der Muschelkalk in Dalsheim tut’s auch. Vinum fasste zusammen: „Seit 30 Jahren betreibt dieser Mann ein Feintuning in Sachen Sekt, das ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in Deutschland macht, und falls er nicht die Reinkarnation von Dom Pérignon ist, dann ist er zumindest Dom Raumland!“ Wie sollte der Jahrgang 2014 – beflügelt durch solch schmeichelnde Worte – also nicht grandios werden können?
Download des Jahrgangsberichts 2014
Jahresstart mit „brasilianischen Wetterverhältnissen“ in Rheinhessen
Das Jahr 2014 startete mit (viel zu) milden Temperaturen. Nachdem bereits vergeblich auf die weiße Weihnacht gehofft wurde, setzte sich das milde Wetter mit monatlichen Durchschnittstemperaturen von 4 bis 9°C im neuen Jahr fort – so bestätigte es die benachbarte Wetterstation in Gundheim. Auch in den Folgemonaten März und April waren die Temperaturen außergewöhnlich mild und trocken. Die nationale Presse fasste schnell zusammen: der drittwärmste Frühling seit 1881. Während sich der ein oder andere darüber erfreute, bereits im Februar mit Sonnenbrille in der Eisdiele Latte Macchiato schlürfen zu dürfen, so bedrückte uns Winzer dieser warme Start ins Jahr doch sehr.
Ein warmer Start ins Jahr begünstigt den frühen Austrieb der Reben und infolgedessen auch deren Blüte. Gerade weil der Frühling so warm und trocken war, wurde einem etwas mulmig beim Gedanken daran, dass es zu eventuellen Spätfrostschäden kommen könnte. So fand der extrem frühe Austrieb zwischen dem 04. und 10. April statt. Es folgte eine Zitterpartie wegen mehrerer Einbrüche von polarer Kaltluft, die besonders am 16. April und am 4. Mai nur ganz knapp nicht zu Spätfrostschäden führte. Knapp waren wir der „Winzerkatastrophe“ entkommen.
Der frühe Austrieb schien auf einen frühen Herbst – sprich eine frühe Lese – hinzudeuten. Doch das Jahr sollte sich noch von anderen Facetten zeigen.
Marie-Luise wagt den ersten Schritt hin zum Weinbau
Apropos neue Facetten: Als Marie-Luise 2014 verkündete, dass sie nach ihrem BWL-Studium nun ein Weinbaustudium in Montpellier, Südfrankreich, ins Auge fasste, war unsere Freude kaum zu bremsen. Gab es etwa Hoffnung auf eine Fortführung des Betriebs? Im September startete Marie-Luise ihr Abenteuer in Südfrankreich, nachdem sie zuvor Praktika bei McKinsey in Hamburg und Procter & Gamble in Genf absolviert hatte. Um noch etwas länger in Genf zu verweilen, arbeitete sie einige Monate beim größten Lohnversekter der französischen Schweiz – letztendlich einer der Gründe und Auslöser für ihr Weinbaustudium. Währenddessen steckte Katharina noch mitten im BWL-Studium. Sie wollte – genau wie Marie-Luise – erst einmal ihre eigenen Erfahrungen sammeln und neue Wege erkunden. So hatten wir (Heide-Rose und Volker) es damals auch gemacht und waren dankbar über die wertvolle Zeit außerhalb der Weinbranche, um mit neuen Ideen dann unseren heutigen Weg zu beschreiten.
Unsere Reben sehnen sich nach Wasser
In den ersten Junitagen kam es dann zum Blütebeginn. Die warmen und trockenen Temperaturen führten ihren Lauf fort, gerade um Pfingsten herum wurde es heiß. Das führte in einigen unserer Lagen zur Verrieselung. Bei der Verrieselung im Weinbau spricht man über den Abstoß der Blüten vom Stielgerüst. Dies führt zur „Befruchtungsstörung“. Als Resultat der Verrieselung kommt es zu Kleinbeerigkeit und damit zu einer natürlichen Ertragsminderung. Wenn man die Arbeit im Weinberg jedoch zu 100% auf den Ausbau von Trauben für die Herstellung von Sekt auslegt, muss man beachten, dass eine Ertragsminderung auch dazu führt, dass die Trauben am Stock schneller reifen (können). Die Sektlese findet generell etwas früher statt – wenn die Trauben in etwa 76 bis 82 Grad Oechsle erreicht haben. Unser Ziel ist es, Trauben mit einer moderaten Zuckerkonzentration zu lesen, sodass am Ende der Alkoholgehalt durch die zweite alkoholische Gärung nicht zu hoch ausfällt – schließlich wird Zucker in Alkohol umgewandelt. Dennoch brauchen unsere Trauben auch eine möglichst lange Reifeperiode am Stock. Diese Reifeperiode lässt sich unter anderem dadurch verlängern, indem wir den Ertrag im Weinberg nicht allzu stark reduzieren. Schließlich findet bei uns die Ertragsreduktion nicht im Weinberg, sondern erst später im Keller statt – bei der Pressung und Unterteilung der Moste in Cuvée und Taille. Wir konnten also nur darauf hoffen, dass der Sommer nicht ganz zu warm ausfallen würde und die Nächte kühl blieben, um die Reifung zu verlangsamen und die Säurewerte hochzuhalten.
Bereits im Juli konnte man deutlich erkennen, dass die Reben sich so langsam nach Wasser sehnten. Glücklicherweise konnten wir uns Mitte des Monats am lang ersehnten Regen erfreuen. Dieser war so dringend notwendig, damit sich die Trauben und die Laubwand, welche für die Fotosyntheseleistung zuständig ist, gut entwickeln konnten.
Kühler Sommer statt Freibad – das mögen wir Winzer
Dann kam der August, welcher kühl und nass war. Ein kühler und nasser Sommer stellt für uns Winzer ein unerwartetes Geschenk dar – auch wenn es paradox erscheinen mag. Auf diese Weise erhalten sowohl die Reben als auch wir wertvolle Zeit – Zeit für eine behutsame Reifung, die besonders delikate und vielschichtige Aromen hervorbringt, begleitet von einer ausgeprägten, jedoch ausgereiften Säure. Denn kühle Sommer- und Herbstnächste bringen erst die wirklich aufregenden Aromen in die Trauben und schließlich in den Sektgrundwein. Während manch einer also lieber plantschend im nächsten Freibad seine Pommes essen wollte und sich über das Wetter ärgerte, genossen wir den eher kühlen Sommer.
Der kühle Sommer führt zur Verzögerung der Reifeentwicklung
Obwohl zum Zeitpunkt des Austriebs noch eine rekordverdächtig frühe Ernte in Betracht gezogen wurde, führte der kühle, feuchte Sommer zu einer spürbaren Verzögerung der Reifung und auch der Trockenstress der Reben wurde dadurch verbessert. Die Laubwand wuchs sehr schnell, was die Laubarbeiten in diesem Jahr erschwerte.
In diesem Jahr möchten wir wieder unseren Donnersberg gebührend loben, der weit mehr als nur Gewitter von unseren Rebstöcken fernhielt. Dank ihm fiel im September nur wenig Niederschlag, was eine schnelle und unkomplizierte Ernte versprechen sollte.
Der Jahrgang 2014 stellte die Winzer in anderen Regionen und auch in anderen Orten Rheinhessens hingegen vor große Herausforderungen. Vielerorts fiel in Rheinhessen sogar das Dreifache des Monatssolls an Niederschlägen. Im September stellte sich eine dauerhaft mild-feuchte Wetterlage ein, die den Gesundheitszustand der Beeren bereits in der ersten Septemberwoche bedrohte und viele Winzer kämpften mit der Zeit, um die Trauben letzten Endes in den Keller zu bringen. Doch in Flörsheim-Dalsheim und dem angrenzenden Bockenheim, wo sich unsere Weinberge befinden, hatten wir mal wieder Glück!
Schlussendlich starteten wir unsere Lese am 02.09.2014 mit unseren Chardonnay Parzellen im Bockenheimer Vogelsang und Bockenheimer Schlossberg. Wir beendeten die Lese mit unserem Weißburgunder ganz oben auf dem Dalsheimer Bürgel am 26.09.2014. Die VDP.Große.Lage Dalsheimer Bürgel zählt zu unseren wichtigsten Sektlagen. Der Boden besteht aus Kalkstein- braunlehm (Terra Fusca) in der Oberschicht, wie sie sonst nur auf alten Landoberflächen fern von aktiver Erosion vorkommt. Unser Pinot Blanc Weinberg steht dort auf 260 Metern Höhe und die Reben sind mittlerweile knapp 40 Jahre alt. Aufgrund der – für Rheinhessen – besonderen Höhe und starken Winde, die dort vorherrschen, haben wir das Glück, dass die Reifeentwicklung dort sehr langsam geschieht, was uns aromatische und ausdrucksstarke Trauben verspricht. Insgesamt erforderte die diesjährige Lese hohe Aufmerksamkeit, viel Selektion und verstärkten Arbeitskräfteeinsatz. Dies ermöglichte uns das Einbringen ausdrucksstarker, aromatischer Trauben, die schon beim Verkosten der einzelnen Beeren die Frische und Ausdrucksstärke des Jahrgangs erahnen ließen.
Ein erster Eindruck der 2014er Réserve Sekte: WOW!
Als wir 2022 die ersten Rohschaumweine des 2014er Jahrgangs nach über 8 Jahren Hefelager verkosteten, waren wir baff… Uns war durchaus bewusst, dass sich dieser Jahrgang am Ende von seiner besten Seite zeigte, aber dass uns solch ausdrucksstarke, klare, mineralische Schaumweine mit reifer, gut eingebundener Säure erwartete, war auch für uns eine positive Überraschung. Die feine, anhaltende Perlage und die ausgewogene Balance zwischen lebhafter Frische und reifer Säure zeugen von einem grandiosen Sektjahr. Am Gaumen zeigen die Sekte bereits eine herrliche Cremigkeit und Eleganz, begleitet von mineralischen Komponenten.
So fällt unser Fazit glasklar aus. Während im Weinbereich der 2014er Jahrgang oft untergeht, ist er für uns ein Geschenk für Schaumweine höchster Qualität, die aufgrund ihrer Ausdrucksstärke, Feinheit und gut integrierten Säure noch sehr viel länger weiterreifen können.
Fazit:
Das Sektjahr 2014 und die Fußball-WM 2014 haben für uns am Ende einiges gemeinsam: Beide lieferten hervorragende Ergebnisse und sorgten für Begeisterung. Während die guten Winzer ihr Können in diesem nicht all zu leichten Jahr unter Beweis stellen mussten, kämpften die Fußballer um Ruhm und Ehre. Der Jahrgang 2014 und die WM 2014 werden als Höhepunkte in Erinnerung bleiben – und sei es nur, um anzustoßen und zu feiern, was für ein großartiges Jahr es doch war! Prost und Torschuss!
Ihre Familie Raumland