Jahrgangsbericht und Sektlese 2018

Ein Jahrhundertsommer! Ein Jahr der Entscheidung!

2018 sollte für uns persönlich – unabhängig von allen Wetterrekorden – ein Jahr voller glücklicher Ereignisse und schicksalhafter Wendungen werden. Denn 2018 beschlossen wir beiden Schwestern (Marie-Luise und Katharina), dass uns der Weg wieder zurück nach Flörsheim-Dalsheim führen sollte. Zu diesem Zeitpunkt waren wir gedanklich noch Meilen entfernt vom Eintritt ins Familienunternehmen. Doch das sollte sich blitzartig ändern.

Zurück zu den Wurzeln nach Flörsheim-Dalsheim

Anfang August unternehmen wir ein „Schwesterwochenende“ in Wien, wo Katharina zu diesem Zeitpunkt bei der Firma Mars arbeitet und in Schokolade und Kaugummi schwelgt – Sekt ist zu diesem Zeitpunkt noch ein entfernter Traum. Einige Gläser Grüner Veltliner und herzhafte Wiener Schnitzel später, treffen wir eine für uns lebensverändernde Entscheidung: Heimkehr! Zurück nach Flörsheim-Dalsheim, zurück ins Sekthaus, zurück zur Familie. Denn so süß Schokolade und so lecker Kaugummi auch sind, unser Herz schlägt wild und ungezügelt für den Sekt. Wir sind Feuer und Flamme für die Fortführung unseres Sekthauses als Schwestern-Duo. So beschließen wir, dass sich auch Marie-Luises Zeit in der Spirituosenbranche bei Beam Suntory langsam dem Ende neigen soll. Bye Bye Whiskey, bye bye Rum.

Montags fliegt Marie-Luise zurück nach Frankfurt und erkundigt sich telefonisch bei Katharina, ob sie nochmals über ihre Entscheidung schlafen konnte. Katharina – die Entschlossene von beiden – sagt mit einem Hauch von Abenteuerlust: „Ja, ich habe gerade gekündigt und bereite meine Bewerbungsunterlagen für das Weinbau Studium Geisenheim vor!“ Wow! Seit jenem Tag fühlen wir uns wie Deckel und Eimer, Pech und Schwefel, da uns dieses Wochenende emotional innig vereint hat und wir seitdem eine glasklare gemeinsame Vision entwickeln: eine Vision, Deutschen Sekt national und international noch weiter bekannt zu machen, noch weiter an Qualitätsstellschrauben zu drehen und gemeinsam mit unseren Eltern in die zweite Generation zu starten. Das bedarf Zeit und Erfahrung. Doch daran wollen wir von nun an intensiv arbeiten.

Download des Jahrgangsberichts 2018

Ein Jahr der Wetterrekorde

Nach dem herausfordernden 2017er Jahrgang, der uns mit Frost im Frühjahr und viel Regen auf die Probe stellte, begrüßten wir mit Freude den 2018er Jahrgang. Ohne Frage können wir diesen zusammenfassend als ein wahrhaftiges Geschenk der Natur bezeichnen. Die nationale Presse urteilte rasch: „Ein Jahrhundert-Jahrgang“.

Obgleich Deutschland noch immer als „Cool Climate“ Weinbauland gilt und nach traditionellen Vorstellungen eine durchschnittliche Sonnenscheindauer von 1400 bis 1600 Stunden vorherrscht, entsprach 2018 in keiner Weise dem Durchschnitt. Für Flörsheim-Dalsheim lag der Wert im Jahr 2018 bei beachtlichen 2230 Sonnenstunden. Im Vergleich dazu waren es 2016 und 2017 mit lediglich knapp über 1900 Sonnenstunden deutlich weniger.

2017 legte den Grundstein für dieses außerordentlich besondere Jahr

Für eine realistische Beurteilung des Jahrgangs 2018 ist auch der Rückblick auf das Weinjahr 2017 von großer Bedeutung. Wir persönlich betrachten den Jahrgang 2017 mit gemischten Gefühlen: qualitativ herausragend, jedoch quantitativ einer der kleinsten Jahrgänge seit Jahren. Doch genau davon profitierte der Jahrgang 2018. Unsere Reben starteten ausgeruht, geschont und voller Lebenskraft ins neue Jahr. Dennoch galt es, die natürliche Wuchskraft der Rebe zu nutzen, aber gleichzeitig die Erträge so auszubalancieren, dass keine dünnen, wässrigen Sektgrundweine entstehen würden, sondern schlanke und dennoch tiefgründige und mineralische Sektgrundweine sowohl in den Fässern als auch in den fertigen Sektflaschen Jahre später.

Der vorausgegangene Winter zeigte sich ungewöhnlich nass und brachte so viel Regen wie schon lange nicht mehr. Zwischen Oktober 2017 und Februar 2018 registrierte die nahegelegene Wetterstation in Gundheim beachtliche 240 mm Niederschlag – ein ungewöhnlich hoher Wert für die Wintermonate.

Sowohl der Februar als auch der März zeigten sich mit einer Durchschnittstemperatur von 0 Grad eisig kalt und frostig. Deshalb war ein ebenso früher Austrieb wie im Vorjahr, verbunden mit dem Risiko großer Frostschäden, nicht zu befürchten. So konnten wir das Jahr zunächst gelassen angehen.

Eine frühe Rebblüte als Vorbote für eine frühe Lese

Während der Winter 2017 trocken und der Sommer feucht war, zeigte sich 2018 nach einem nassen, kalten Winter nun sonnenverwöhnt und regenarm. Zu Beginn des Aprils durften wir uns endlich über wunderbares Wetter, reichlich Sonnenschein und angenehm warme Tage erfreuen. Die Temperaturen stiegen rapide an und es wurde sogar von dem wärmsten April seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gesprochen. Entgegen der üblichen Vorstellung war dieser Monat mit über 260 Sonnenstunden keinesfalls wechselhaft, sondern markierte im Wesentlichen den Start des Frühsommers.

Innerhalb kürzester Zeit erwachte die Natur zum Leben. Die kontinuierlich sommerlichen Temperaturen begünstigten das Austreiben und Wachsen der Reben. Schon Ende Mai begannen die ersten Reben zu blühen, was auf eine frühe Lese hindeutete. Im Rückblick erscheint das Wettergeschehen in den Monaten Mai, Juni und den darauf folgenden Sommermonaten wie eine Klimastatistik aus dem Mittelmeerraum. Auch die Gewitterfronten zogen ohne Schäden an Flörsheim-Dalsheim vorbei. Wie in den meisten Jahren waren wir vom naheliegenden Donnersberg geschützt, während es in benachbarten Orten teilweise heftig hagelte. Mitte Juli blickten wir auf so prächtig gesunde Weinberge, dass der Begriff „optimale Verhältnisse“ langsam die Runde machte.

Der wärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung

Der Sommer brachte zahlreiche Temperaturrekorde und zählt mit 19,3°C Durchschnittstemperatur zu den wärmsten in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnung in 1881. Trotz extremer Trockenheit und warmen Winden waren die Winter-Flüssigkeitsreserven ausreichend, um die Vegetation zu erhalten und die Trauben reifen zu lassen. Glücklicherweise hatten wir in diesem Jahr oder im Jahr zuvor keine Jungfelder gepflanzt, die hätten bewässert werden müssen. So bahnte sich eine ertragreiche Ernte mit gesunden Trauben an.

Komplettbeschattung der Trauben wird ein Schlüssel zum Erfolg!

Angesichts der hohen Temperaturen und des geringen Druckes mit Hinblick auf Rebkrankheiten entschieden wir uns sehr früh dazu, unsere Weinberge nicht zu entblättern, um den Trauben möglichst viel Schatten zu lassen und Sonnenbrand auf den Trauben zu vermeiden. Sonnenbrand kann zu Bitternoten im Sektgrundwein und fertigen Sekt führen kann. Gerade bei Sekt muss dies tunlichst vermieden werden. Die Beschattung der Traubenzone ist unser Sonnenschirm für die Trauben und bringt Kühle und Frische in die Trauben und somit den Sektgrundwein.

Wie macht man elegante Sekte in warmen Jahren?

Als Winzer stellt die Anpassung unserer Arbeitsmethoden im Weinberg eine der bedeutendsten Herausforderungen dar. Das Klima verändert sich, die Sommer werden extremer. Es liegt in unserer Verantwortung, Lösungen zu entwickeln, um uns anzupassen und mit diesen Veränderungen umzugehen. In besonders heißen Jahren sind wir dankbar über unsere alten Reben. Komplettbeschattung der Trauben wird ein Schlüssel zum Erfolg! So lag es auf der Hand, es im Jahrhundertsommer 2018 auch in unseren rheinhessischen und pfälzischen Weinbergen umzusetzen. Desweiteren hielt wir unsere Weinbergsgassen grün, um das Mikroklima im Weinberg kühl zu halten. Dadurch konnten wir die frühe Lese Ende August noch um ein paar Tage hinausschieben.

Desweiteren achteten wir darauf, dass die Erträge im Weinberg für die Sektgrundweinlese vergleichsweise hoch bleiben (entgegen dem Credo für den Ausbau von klassischen Stillweinen). Dies führt nicht nur zur Verlängerung der Reifeperiode der Trauben am Rebstock sondern auch zum Erhalt der wichtige Säurewerte. Schließlich findet bei uns die Ertragsreduktion nicht im Weinberg, sondern erst später im Keller statt – bei der Pressung und Unterteilung der Moste in Cuvée und Taille. Die sanfte Cuvée Pressung repräsentiert das Herzstück der Traube, welches eine höhere Säure, niedrigere pH-Werte, weniger Bitterstoffe und weniger Extrakt enthält. Dies führt im finalen Sekt zum Erhalt der Frische und Leichtigkeit – selbst in warmen Jahren.

In Summe: wir haben an allen Stellschrauben der Weinbergs-Bewirtschaftung gedreht, um unsere Trauben bestmöglich auf die Rekordtemperaturen des warmen 2018er Jahrgangs anzupassen – ähnlich wie in Rekordjahren wie 2003, 2005, 2007, 2009 und 2015.

Der früheste Lesebeginn seit Gründung unseres Sekthauses

Mitte August war es dann soweit. Lesebeginn am 16.08.2018 – so früh wie noch nie! Wir starteten mit unsere Chardonnay Parzelle im Bockenheimer Vogelsang. Die Befürchtung stark verminderter Säurewerte erwies sich im Verlauf der Herbstzeit als unbegründet. Im Gegenteil. Aufgrund des hohen Ertragsniveaus und unserer Vorarbeit im Weinberg hatten wir das Glück, dass die Säurewerte für diesen sehr warmen Jahrgang recht hoch blieben. Wir konnten in aller Ruhe alle Weinberge von Hand lesen. Die Trauben waren kerngesund. Ende August waren die Burgundersorten dran. Vor allem unsere Spätburgunder Anlagen im Hohen-Sülzer Kirchenstück sowie die Spätburgunder Weinberge im Dalsheimer Bürgel. So gleichmäßig und durchgehend gefärbte Burgundersorten mit kleinbeerigen homogenen Trauben hatten wir selten in den Händen bei der Sektlese.

Die weißen Rebsorten, wie Chardonnay und Weißburgunder, präsentierten sich an den Rebstöcken „wie aus dem Bilderbuch“. Es war nicht nötig, vorzusortieren oder mühsam selektiv zu lesen – das Weinbergsteam konnte einfach in die Reihen gehen und wundervolle Trauben ernten. Jegliche Rebkrankheiten, wie Botrytis, waren nicht vorhanden. Sogar bis zum Ende der Lese konnten wir in kurzen Hosen und T-Shirts in den Weinbergen arbeiten – ein Anblick, den wir sonst nur aus Erzählungen aus südlichen Regionen kannten.

Das Bild setzte sich im Keller nahtlos fort. Die Trauben, die in der Presse landeten, waren nahezu perfekt. Die Moste schmeckten einfach fantastisch und verströmten eine vibrierende Energie und Eleganz. Fruchtig, frisch, konzentriert und mit einer angenehm frischen Säure. Für unsere Sektgrundweine legen wir großen Wert auf die pH-Werte, die glücklicherweise auch in diesem warmen Jahr recht niedrig blieben und somit frische, stabile Sektgrundweine definierten. Um die Frische der Trauben zu bewahren, haben wir morgens sehr früh mit der Lese gestartet, um die Trauben kühl in den Keller zu bekommen und entschieden uns dazu, die Trauben nochmals herunterzukühlen, bevor sie gepresst wurden.

Verlangsamung der Reifeentwicklung durch die extreme Hitze und Trockenheit

Eine Konsequenz der Trockenheit war zudem die Verlangsamung der Reifeentwicklung. Obwohl die Oechslegrade anfangs schnell in die Höhe schossen, verlangsamte sich die Reife dann. Die Spaltöffnungen an der Unterseite der Blätter verschlossen sich aufgrund der warmen Temperaturen, und die Rebe wechselte vom Turbo- in den Sparmodus, ähnlich einem Radfahrer, der in den kleineren Gang schaltet, um seine Kräfte für die letzte Steigung vor dem Ziel aufzusparen. Dies hatte zur Folge, dass wir tatsächlich noch einige Wochen warten konnten, sodass wir die Lese nach exakt 8 Wochen erst am 11.10.2018 mit unserem Riesling im Bockenheimer Vogelsang beendeten – dort wo wir begannen, nur ein paar Gewanne weiter.

Die ersten Sekte des Jahrgangs 2018 zeigen eine eindrucksvolle Mischung aus Fruchtigkeit, Dichte und salzigem Abgang. Während unsere Sekte in kühleren Jahren oft ausdrucksstark, filigran und mineralisch ausfallen, werden sich die 2018er Sekte sicherlich viel zugänglicher und charmanter präsentieren, was die hohe Fruchtreife dieses Vegetationsjahres betont. Wir sind wie immer sehr neugierig auf die weitere Entwicklung und freuen uns schon jetzt auf einen sowohl quantitativ als auch qualitativ spannenden Jahrgang 2018.

Fazit:

Das Weinjahr 2018 wird trotz zahlreicher Wetterextreme und ungewöhnlicher Witterungsverläufe noch lange in Erinnerung bleiben. Die außergewöhnlichen Bedingungen führten zu hervorragenden Qualitäten mit 100% gesunden Trauben, die sehr klare und zugängliche Sekte hervorgebracht haben. Auch emotional setzten wir 2018 einen Meilenstein für die folgenden Jahrzehnten durch den Start mit der zweiten Generation. Wir könnten glücklicher nicht sein.

Ihre Familie Raumland

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