Von Benedikt Ernst, Ausgabe 12 / 2020
Was lange gärt, wird richtig gut
„Während sich manch angesehenes Champagnerhaus auf seinen Lorbeeren ausruht, hat sich in Deutschland eine ambitionierte Szene an Sektmachern gebildet, die Schaumweine auf Spitzenniveau produziert. Unser Getränke-Redakteur hat sich auf die Suche nach den besten begeben — bei jungen Wilden und alten Hasen.
[…] Volker Raumland gehört zu den wenigen, die es auch wissen. Sein Name ist wie kein anderer mit hochwertigem Sekt aus Deutschland verbunden. Auch bei ihm neigt sich die Weinlese 2020 dem Ende zu, in der Kellerei im rheinhessischen Mölsheim herrscht Hochbetrieb.
Ein Traktor liefert eine Charge Chardonnay-Trauben an, Kellermeister Kasi bereitet die Gärtanks vor, und der Meister selbst wirft unter lautem Maschinengrollen sein neuestes Werkzeug an: eine Traubenwaschanlage. „Ich habe das bisher nur in Italien gesehen, in Deutschland sind wir die Ersten“, erzählt Raumland, während er am Selektiertisch die letzten angedrückten Beeren herauspickt. Nicht auf den Erfolgen ausruhen, sondern immer versuchen, die Qualitätsschraube noch einen Tick weiterzudrehen – dass sei das Ziel von ihm und seinen Töchtern Marie-Luise und Katharina, die inzwischen mit in die Leitung eingestiegen sind. Die Sekte aus ihrem Haus zählen seit vielen Jahren zum Besten, was deutscher Weinbau zu bieten hat – nicht nur in Bezug auf Schaumweine. So wurde den Raumlands in diesem Jahr die Ehre zuteil, als erster reiner Sekterzeuger in den exklusiven Verband der deutschen Prädikatsweingüter (VDP) aufgenommen zu werden. Bereits im Einstiegssegment finden sich Sekte mit einer Mindestreife von über fünf Jahren auf der Hefe. „Dafür braucht man natürlich entsprechende Grundweine. Einfach nur lange liegen lassen, funktioniert nicht – wenn der Wein nicht perfekt ist, schmeckt er nach zwei, drei Jahren einfach nur alt“, erklärt Marie-Luise Raumland, die wenige Minuten zuvor selbst noch mit dem Leseteam im Weinberg stand. Komplett gesunde, unbeschädigte Trauben aus Handlese und mit hohen Säurewerten seien entscheidend. So würden auch die Grundweine vor der zweiten Gärung in der Flasche etwas harsch schmecken, jedoch sorge die Säure für die benötigte Haltbarkeit. Bei gut gemachtem Sekt fügt sie sich in der Zeit auf der Hefe immer harmonischer in das Gesamtbild ein und sorgt dafür, dass das Produkt auch nach vielen Jahren der Reife eine knackige Frische im Glas ausstrahlt.
Wie Champagner eben? „Ehrlich gesagt, fällt es uns selbst manchmal schwer, einen Unterschied zu schmecken“, gibt Volker Raumland zu. „Wir machen etwas Eigenes, das aber deutlich näher an Champagner liegt als am Industrie-Sekt im Supermarkt“. Bei allen Lobeshymnen haben sich die Raumlands eine angenehme Bodenständigkeit bewahrt. Auch was die Preisgestaltung betrifft – die Cuvées „Katharina“ und „Marie-Luise“ liegen unter 20 Euro und bieten mehr als mancher Champagner zum doppelten Preis. In der Grande Cuvée „Triumvirat“ entfaltet sich alles, was das Sekthaus auszeichnet, in einem regelrechten Feuerwerk: hefige Reifenoten von Brioche und gerösteten Haselnüssen, elegante Zitrusfrische, tänzelnde Leichtigkeit auf der Zunge und ein schier endloser Abgang. Für Volker Raumland kommt es am Ende nur auf eine Sache an: „Sekt darf nicht müde machen. Für mich ist ein Sekt dann gut, wenn man nach der ersten Flasche direkt die zweite aufmachen will.“