Ein Jahr der langsamen Reife
Vorweg sei gesagt: Der Jahrgang 2012 war ein bemerkenswertes Jahr für unser Sekthandwerk. Selten zuvor erlebten wir eine derart harmonische, langsame und vollständige Reife der Trauben. Im Laufe der Zeit hat sich der Jahrgang 2012 zu einem unserer absoluten Favoriten entwickelt, wohlwissend, dass es kein allzu einfacher Jahrgang im Weinberg war. Mit zunehmender Reife gewannen die Sekte an Komplexität. Bei einigen haben wir über 10 Jahre gewartet, bevor wir sie degorgiert haben. Die Sekte aus 2012 zeichnen sich durch ihre intensive Aromatik, Komplexität und Langlebigkeit aus. Dennoch glauben wir, dass sie selbst nach 10-jähriger Hefelagerzeit noch immer blutjung sind und sich weiterhin durch Reifung entwickeln können, ohne ihre Spannung zu verlieren.
Ein Vergleich: Was hat 2012 mit einem Soufflé zu tun?
Alle Mitglieder unserer Familie sind nicht nur Schaumweinbegeisterte, sondern auch begnadete Köchinnen und Köche. Man neigt oft dazu, Jahrgänge mit kulinarischen Elementen zu vergleichen, und obwohl es zunächst amüsant wirken mag, ist der Sektjahrgang 2012 in unseren Augen durchaus vergleichbar mit der Zubereitung eines delikaten und komplexen Soufflés. Für viele gehören Soufflé-Rezepte zur Königsklasse in der Küche. Darum gelten sie auch als besonders schwierig. Die feine, subtile Finesse der Sekte aus diesem Jahrgang erinnert an die kunstvolle Balance und die zarte Textur eines perfekten Soufflés, das langsam und bedacht im Ofen aufgeht. Die Trauben dieses Jahrgangs reiften langsam und behutsam, beeinflusst von den kühlen Herbsttemperaturen. Damit ein Soufflé gelingt, bedarf es einer präzisen Temperaturkontrolle beim Backen. Nun ist es bei den Trauben ähnlich. Je langsamer sich die Trauben bei optimalen Temperaturbedingungen am Rebstock entwickeln können, desto komplexer und ausdrucksstärker sind die daraus resultierenden Schaumweine.
Es ist schwer, sich dem Zauber dieses Jahrgangs zu entziehen, ähnlich wie es schwer ist, einem perfekt aufgegangenen Soufflé zu widerstehen 😉
Bitterkalter Jahresstart
Der Winter 2011/2012 war kalt, teilweise sogar bitterkalt und trocken. Von Januar bis März fielen insgesamt nur knapp 58 mm Niederschlag, was 50% unter dem langjährigen Mittel lag. Die kühlen Temperaturen verzögerten den Austrieb der Reben deutlich. Im März und April zeigte sich das Wetter wechselhaft. Zur Blütezeit im Juni kamen dann die dringend benötigten Niederschläge. Im Juni lag die Niederschlagsmenge 58% über dem langjährigen Mittel. Dadurch kam es in unseren Weinbergen vermehrt zur Verrieselung. Bei der Verrieselung im Weinbau spricht man über den Abstoß der Blüten vom Stielgerüst. Dies führt zur „Befruchtungsstörung“ und resultiert in kleinen Beeren und damit in einer natürlichen Ertragsminderung, eine Situation, die wir uns oft wünschen.
Langsame Reifung im Sommer
Der darauffolgende August war nicht übermäßig warm. Ein eher kühler Sommer stellt für uns Winzer ein unerwartetes Geschenk dar – auch wenn es paradox erscheinen mag. Auf diese Weise erhalten sowohl die Reben als auch wir wertvolle Zeit – Zeit für eine behutsame, gleichmäßige Reifung, die besonders delikate und vielschichtige Aromen hervorbringt, begleitet von einer ausgeprägten, jedoch ausgereiften Säure. Denn kühle Sommer- und Herbstnächte bringen erst die wirklich aufregenden Aromen in die Trauben und schließlich in den Sektgrundwein. Während manch einer also lieber im Freibad sein Cornetto Eis gelutscht hätte und sich über das Wetter ärgerte, genossen wir den eher kühlen Sommer. Wir wurden immer aufgeregter, als wir beobachteten, wie sich kleine dickschalige Beeren entwickelten, die nur ganz langsam an Säure verloren und sprunghaft an Aromen gewannen.
Lese unter optimalen Bedingungen
Aufgrund des kühleren Sommers begann unsere Sektlese für uns recht spät am 10.09.2012 mit unserem Chardonnay im Herzstück des Dalsheimer Bürgels. Geschützt von den alten Stadtmauern von Flörsheim-Dalsheim – unserer wunderschönen Fleckenmauer – ist dieser Weinberg oft der erste, der seine optimale Reife erreicht. Bei einem Mostgewicht von 80 Grad Oechsle und einer Säure von 11 g pro Liter haben wir die ersten Trauben geerntet. Die Trauben reiften über den gesamten Lesezeitraum sehr langsam. Die Säurewerte blieben stabil, während die Alkoholwerte niedrig blieben. Für uns Sektwinzer ist 2012 wirklich ein Wunschjahrgang, der höchsten Trinkgenuss verspricht.
Die Lese endete knapp drei Wochen später am 05.10.2012 mit unseren Riesling-Parzellen im Dalsheimer Bürgel und dem Bockenheimer Vogelsang. Die Trauben waren gesund und zeigten eine ausgezeichnete Balance zwischen Zucker und Säure. Die kühlen Nächte im September und Oktober förderten die Entwicklung intensiver Aromen und trugen dazu bei, die notwendige Säure für die Sektherstellung zu bewahren.
Unser Fazit: Jahrgang mit Lagerpotenzial!
Für uns ist sicher: All jene Sektfreunde, die Finesse und Komplexität im Zusammenspiel mit Mineralität und verführerischer Aromatik schätzen, werden 2012 zu einem Lieblingsjahrgang küren! Die 2012er Sekte weisen ein großes Lagerpotenzial auf und werden in den kommenden Jahren weiter an Komplexität gewinnen.
Sie sind enorm vielschichtig und man kann förmlich schmecken, dass die Trauben lange am Stock hingen und die Beeren ganz langsam herangereift sind. Grund dafür waren die niedrigen Temperaturen im Spätsommer und Herbst. Trotz einiger Herausforderungen während der Vegetationsperiode, sind wir mehr als glücklich mit den daraus resultierenden Schaumweinen, welche wir nun endlich nach so vielen Jahren genießen können… vielleicht sogar mit einem leckeren Soufflé? 😉
Ihre Familie Raumland