Schaumweine sind vielseitige Preziosen, es gibt sie für fast jeden Geschmack. Zunehmend führen Frauen renommierte Häuser. Zwei Beispiele aus Frankreich und Deutschland. Von Peter Keller.
In diesem wunderbaren Artikel in der Neuen Züricher Zeitung berichtet Peter Keller über die weibliche Nachfolge in renommierten Sekthäusern. Es ist uns eine Ehre an der Seite des berühmten Champagnerhaus Krug genannt zu werden.
„Noch immer gilt der Champagner als der ultimative Schaumwein. Kein anderes Produkt wird besser vermarktet. Eines der Häuser im berühmten Anbaugebiet ist durch seine Gründerin weltweit bekannt geworden. Nicole Barbe Ponsardin heiratete 1798 François Clicquot, einen Rebbergbesitzer in der Champagne. Doch er starb bereits sieben Jahre später. Er hinterliess seiner Frau das Unternehmen, das sie in Veuve Clicquot-Ponsardin umbenannte. Sie war die erste der grossen Champagnerwitwen.
Heute gehört die Firma dem Luxusgüterkonzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH). Zum Portfolio zählt auch Krug, einer der renommiertesten Erzeuger in der Champagne. Erstmals ist jetzt eine Frau verantwortlich für die Produktion der Spitzenschaumweine. «Ich fühle mich geehrt, und es ist natürlich ein bedeutender Moment in meinem Leben», sagt Julie Cavil zu ihrem neuen Job. Die Französin ist seit einem Jahr die erste Kellermeisterin der Legende Krug. Der Weg Cavils führte über Umwege in das Wein-Business. Sie arbeitete zuerst als Kreativdirektorin für eine Werbeagentur in Paris, wo sie auch ihren späteren Ehemann kennenlernte. Beide waren und sind Weinliebhaber. Dank dieser Leidenschaft fand das Duo den Weg in die
Champagne, wo Julie Cavil begann, Önologie zu studieren. Ein ungewöhnlicher Schritt, wie sie festhält: Sie sei nicht aus der Region, älter als die anderen Studenten und bereits Mutter. Für sie aber alles kein Hinderungsgrund, die Ausbildung erfolgreich abzuschliessen.
Mit der Anstellung bei Krug ging für Julie Cavil ein Traum in Erfüllung. «Diese Grosszügigkeit und die Möglichkeit, eine solche Chance zu erhalten, sind charakteristisch für das Haus», so die 45-jährige Französin, die glaubt, dass nichts im Leben durch Zufall geschehe. Nachdem Cavil während 14 Jahren zum Produktionsteam von Krug gehört hatte, erlebte sie im letzten Jahr den Karrierehöhepunkt: die Ernennung zur Kellermeisterin und damit zur Nachfolgerin des langjährigen Verantwortlichen Eric Lebel.
Der bekannteste Champagner von Krug ist die Grande Cuvée. Es handelt sich stets um einen Blend von mehr als 120 verschiedenen Weinen aus mindestens zehn unterschiedlichen Jahren. Um eine neue Edition zu kreieren, brauche man Weine, die stets ihren Charakter aus den jeweiligen Terroirs ausdrücken, sagt Julie Cavil: «Sie sind einzigartige Persönlichkeiten.» Nachher gelte es, die einzelnen Teile zu einer stimmigen Sinfonie zu vereinen.
Für Cavil war die Grande Cuvée 154e Edition von Krug das prägendste Erlebnis: «Rémi Krug von der fünften Familiengeneration servierte mir diesen Champagner bei meinem letzten Anstellungsgespräch.» Offenbar war er überzeugt davon, die richtige Kandidatin gefunden zu haben. Sonst hat die Kellermeisterin keine eigentlichen Favoriten unter den Schaumweinen: Der eindrücklichste Champagner sei stets jener, den man mit Freunden teile.
«Make German Sekt great again»
Julie Cavil schwebt nicht vor, den Stil der Krug-Preziosen zu ändern. Ihre Rolle sieht sie vielmehr in der Kontinuität, aber auch darin, auf die klimatischen Änderungen in den Rebbergen zu reagieren. Trotzdem besitzt die Kellermeisterin eine gewisse Freiheit bei der jeweiligen Zusammensetzung der Grande Cuvée: «Wir entscheiden in jedem Jahr anders, wie viele verschiedene Weine schliesslich für den definitiven Verschnitt verwendet werden.» Ebenso wichtig sei die Tatsache, dass man die erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen der nächsten Generation weitergebe.
Der gleiche Gedanke zählt auch im deutschen Sekthaus Raumland aus Rheinhessen. Volker und Heide-Rose Raumland haben den Betrieb aufgebaut. Jetzt ist mit Marie-Luise die erste der zwei Töchter in den Betrieb eingestiegen – mit noch höheren Ambitionen. «Make German Sekt great again»: Die 28-jährige Marie-Luise Raumland hat klare Vorstellungen, wohin der Weg in die Zukunft führen soll. Heute hat deutscher Sekt immer noch ein relativ bescheidenes Image, weil auch billige Schaumweine ohne zweite Gärung in der Flasche unter diesem Label verkauft werden dürfen. Das seiteilweise irreführend, sagt die Jungwinzerin. Neuerdings setzt sich aber die höherwertige Bezeichnung «Winzersekt» durch, was immerhin zu einer gewissen Differenzierung führt.
Marie-Luise Raumland ist 2019 in das gleichnamige Familiengut eingestiegen und damitin einen Betrieb, der nach Ansicht aller einschlägigen Weinführer an der Spitze in Deutschland steht. Zumindest die Schaumweine aus diesem Haus sind bereits gross. Ihre Eltern erzeugten 1986 den ersten Sekt und orientierten sich über alle Jahre ausschliesslich an qualitativen Kriterien und am Vorbild der Champagne, ohne die berühmten Produkte aus Frankreich zu kopieren. Anfang 2020 wurde Raumland als erster
Sektbetrieb in den prestigeträchtigen Verband der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) aufgenommen
Marie-Luise Raumland will die Qualität der Sekte nochmals verbessern, den Namen weiterentwickeln. Ihre Philosophie: «Ich will elegante Schaumweine mit einer langen Hefelagerung und einer geringen Dosage keltern.» Mindestens fünf Jahre liegen die Weine auf der Hefe, in gewissen Fällen bis zehn und mehr Jahre. Zehn verschiedene Jahrgänge lagern stets im Raumland-Keller, vorwiegend produziert aus klassischen Champagnersorten wie Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier.
Die klassische Sorte Deutschlands, der Riesling, fehlt aber ebenso wenig. «Wir lieben Burgunder-Varietäten», fügt Raumland an, die zuerst Betriebswirtschaft studiert hatte. Das Weinvirus liess sie aber nie los. So gründete die damalige Studentin auch einen Weinklub an der Universität. Nach beruflichen Umwegen folgte dann ein Weinbaustudium im französischen Montpellier.
Bald noch mehr Frauenpower
Das Sekthaus Raumland besitzt zehn Hektaren Rebfläche und kauft keine Trauben dazu. Die Strategie bestehe darin, den gesamten Prozess in der Herstellung zu kontrollieren, erklärt Marie-Luise Raumland. Je nach Qualitätsstufe werden die Grundweine im Stahltank, großen Holzfass oder auch schon einmal in mehrfach gebrauchten Barriques vergoren und ausgebaut.
Raumland, die in ihrer Freizeit in einem Pop- und Gospel-Chor singt, wird später von ihrer Schwester Katharina unterstützt werden. Diese studiert derzeit Internationale Weinwirtschaft an der Fachhochschule in Geisenheim. Marie-Luise freut sich schon jetzt auf den familiären Support, denn, welch ein Glück:´«Wir kommen gut miteinander aus.»